Sie sind unvergessen, sie haben Karl Obermayr unvergesslich gemacht: Die Streifzüge von ihm, dem „Kopfeck Manni“, und seinem treuen Spezl, dem unverbesserlichen Gigolo „Franz Münchinger“, gespielt von Helmut Fischer, durch das Münchner Nachtleben. Als geradezu legendär gilt auch Obermayrs Auftritt als depressiver Gastwirt in den „Münchner Geschichten“, der – vom plötzlichen Fernweh nach Sacramento gepackt – über die frustrierende Eintönigkeit des Alltags sinniert: „Und dann sperr‘ ma wieder auf und dann sperr‘ ma wieder zua…“. Obermayr ist einem Großteil des Fernsehpublikums sicherlich auch aus zahlreichen weiteren bayerischen Film- und Fernsehproduktionen bekannt – man denke nur an „Meister Eder und sein Pumuckl“ oder auch „Kir Royal“ und „Kehraus“.
Doch wie facettenreich das schauspielerische Können Obermayrs war, der in Wirklichkeit den größten Teil seines beruflichen Lebens auf renommierten Theaterbühnen verbrachte, der Engagements am Hamburger Schauspielhaus, an den Münchner Kammerspielen und am Bayerischen Staatsschauspiel hatte, wo er Brecht, Nestroy, Shakespeare und Tschechow spielte, wissen die wenigsten. Karl Obermayr wird am 4. April 1931 in Freising als Sohn des Postschaffners Hans Obermayr geboren. Er besucht zunächst die Volksschule und später die Aufbauschule Freising – das heutige Camerloher-Gymnasium. Schon in der Schulzeit hat Karl Obermayr den brennenden Wunsch, Schauspieler zu werden. Auf Drängen seiner Mutter hin macht er zunächst eine Buchdruckerlehre beim Freisinger Tagblatt – schließlich soll er „etwas Gescheites“ lernen. Sein leidenschaftliches Mitwirken in der Freisinger Laienspielgruppe während dieser Zeit ist prägend. Nach Abschluss seiner Ausbildung nimmt Obermayr eine Stelle als Buchdrucker in München an, ein Job, dem er wohl nur mit begrenzter Hingabe nachgeht. Nach Dienstschluss nimmt er privaten Schauspielunterricht – für Überstunden hat er keine Zeit. „Meine Mutter hat zu Hause einmal einen Brief seines damaligen Arbeitgebers gefunden, in dem stand, dass man meinen Vater wegen seines ‚impertinenten Verhaltens‘ nicht mehr länger gebrauchen könnte“, erzählt sein Sohn Christian Obermayr heute schmunzelnd.
Nun steht seinem Ziel nichts mehr im Wege – Obermayr kann sich voll und ganz auf die Schauspielerei konzentrieren, und schon 1957 legte er die staatliche Schauspielerprüfung ab. Er arbeitet zunächst als Hörfunk-Sprecher beim Bayerischen Rundfunk, wo er aufgrund seiner unglaublichen Dialektsicherheit schnell zur gefragten Radiostimme avanciert. Er wirkt an Produktionen von Fritz Meingast („Der Tag des Zorns“), Georg Lohmeier („Wer Knecht ist soll Knecht bleiben“) und Hans Obermayr („Jedem das Seine“) sowie an zahlreichen Produktionen für Schulfunk und Kinderfunk mit. Seinen größten Hörspielerfolg sollte er jedoch viel später, Anfang der 1980er Jahre, mit Willi Puruckers Stück „Die Grandauers und ihre Zeit“ erleben. Auf die Radioproduktionen folgen Anfang der 60er Jahre erste Theatererfahrungen an kleineren Münchner Bühnen. Am 25. Juni 1962 heiratet Karl Obermayr seine große Liebe, die junge Freisingerin Ursel und zieht mit ihr nach München. Von 1966 bis 1967 erhält Karl Obermayr sein erstes Engagement am Theater am Niederrhein in Kleve, doch weil 1967 auch sein Sohn Christian das Licht der Welt erblickt, kehrt Obermayr, dem seine Familie das Allerwichtigste ist, zurück nach München. Mit dem Jahr 1972 bricht ein Karrierejahr für Karl Obermayr an. Er wird vom Intendanten Ivan Nagel an das Schauspielhaus in Hamburg berufen, wo er in Klassikern wie Friedrich Schillers „Jungfrau von Orleans“ in der Rolle des Raoul brilliert. 1972 kommt in München sein zweiter Sohn, Korbinian, zur Welt. Obermayrs Leben wird nun bestimmt von Gegensätzen, „er wird zum Pendler zwischen Nord und Süd, zwischen Shakespeare und Thoma“, bringt es die Filmemacherin Annette Hopfenmüller in ihrer 2006 erschienenen Obermayr-Dokumentation, mit dem Titel „Ein stiller Meister“ auf den Punkt: Während Karl Obermayr am Hamburger Schauspielhaus in makellosem Hochdeutsch klassische Rollen spielt, ist er mittlerweile auch aus „der bayerischen Sache“ längst nicht mehr wegzudenken. „Er hat in 95 Prozent seiner Zeit in seinem Beruf reinstes Hochdeutsch gesprochen! Ich erkläre das immer so, dass es ja an den Theaterbühnen quasi 6 Wochen Sommerferien gab und die meisten Schauspieler haben diese Sommerpause eigentlich genutzt, um Fernsehproduktionen zu machen. Das heißt, mein Vater war zehn bis elf Monate pro Jahr als festangestellter Schauspieler am Theater, zum Beispiel an den Kammerspielen tätig, wo er die klassischen Rollen, die eben dort gegeben wurden, gespielt hat. Das reichte von „Othello“ bis hin zu modernen Stücken. Die bayerischen Fernsehrollen hat er gewissermaßen nur in der Sommerpause angenommen. Das soll nicht bedeuten, dass ihm diese Rollen nicht auch am Herzen gelegen hätten! Aber es war ihm trotzdem auch wichtig, nicht darauf reduziert zu werden, ein bayerischer Volksschauspieler zu sein. Mein Vater hat viele klassische Rollen gespielt und sein Repertoire reichte von Shakespeare über Marieluise Fleißer, Berthold Brecht bis hin zu Thoma. Auch mir ist es wichtig, diesen Facettenreichtum zu betonen, aber es ist schwierig, das zu vermitteln, denn die Fernsehbilder sind natürlich das, was bleibt. Vom Theater gibt es ja in der Regel keine Filmaufnahmen. Von daher ist das Bild, das man von meinem Vater hat, natürlich durch die Fernsehrollen geprägt“, so hat sein Christian Obermayer diese Phase des Lebens und seinen Vater einmal beschrieben.
Obermayr ist gewissermaßen ein bayerischer Sprachpurist. Wie kaum ein anderer beherrscht Obermayr selbst das Altbayerische perfekt. Enorme Hochachtung und viel Lob werden ihm 1978 seine Hauptrolle in der Verfilmung von Ludwig Thomas „Der Ruepp“ einbringen, für die er sich mit großer Sorgfalt eigens die Feinheiten des Dialektes des Dachauer Hinterlandes erarbeitet. Karl Obermayr, der diese Rolle selbst als seine wichtigste Filmarbeit bezeichnet und selbst Wurzeln im Dachauer Hinterland hat, ist für den Regisseur Kurt Wilhelms die ideale Besetzung. 1974 kehrt Karl Obermayr mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen nach München zurück, wo er bis 1979 an den Kammerspielen und später, bis zu seinem Tod 1985, am Residenztheater engagiert sein wird.
Neben dem Theater werden nun auch Film und Fernsehen auf ihn aufmerksam. Der Regisseur Helmut Dietl bietet Obermayr eine Rolle in den „Münchner Geschichten“ an der Seite von Ruth Drexel und Michaela May an. Dietl gefällt die „typisch bayerische Komik“, die Obermayr unter anderem durch seine unglaublich langsame Sprechweise erzeugt. Auch in der Serie „Familie Meier“ von Franz X. Bogner spielt Karl Obermayr eine Hauptrolle. Weitere Film- und Fernseharbeiten sind Kir Royal, Polizeiinspektion 1, Meister Eder und sein Pumuckl, Tatort oder die Rumplhanni. Den absoluten Durchbruch und enorme Popularität verschafft Karl Obermayr letztendlich im Jahr 1982 die Rolle des „Manni Kopfeck“ in Helmut Dietls Serie „Monaco Franze – Der ewige Stenz“. Als treuer und einsamer Gefährte des Monaco Franze fällt ihm in der Serie die undankbare Aufgabe zu, die amourösen Abenteuer seines besten Freundes vor dessen Ehefrau zu decken.
Auf dem Höhepunkt seiner Karriere und Popularität angekommen, erkrankt Karl Obermayr an Krebs. Er verstirbt 1985, im Alter von nur 54 Jahren.
Begraben ist Karl Obermayr auf dem Freisinger Waldfriedhof.
(Text: FINK Magazin November 2020, Andreas Beschorner)
Noch mehr über das Leben von Karl Obermayr erfährt ihr in der Biografie von Roland Ernst, erschienen 2020 im Allitera Verlag.
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